Seit einiger Zeit beunruhigt ein Gesetzentwurf im Bereich Umsatzsteuer viele Privatmusiklehrer, die selbständig arbeiten. Es sind Petitionen zur Präsentation beim Deutschen Bundestag im Umlauf, die für wesentliche Änderungen in diesem Entwurf plädieren.
Auch wenn es sich noch nicht um ein geltendes Gesetz handelt, so bedroht allein die Existenz eines solchen Entwurfes die Berufsaussichten vieler privater Musiklehrer.
Damit wir keine falschen oder zu stark vereinfachten Wertungen abgeben, zitieren wir hier nachstehend die Fachzeitschrift „Deutsches Steuerrecht“, das Organ der Bundessteuerberaterkammer. Diese beschäftigt sich aktuell mit der Thematik „geplante Umsatzsteueränderungen ab Januar 2013 u. a. für Privatmusiklehrer“ und wertet die vorgesehenen Neuerungen differenziert und unemotional.
Unsere Befürchtungen hinsichtlich der Nachteile dieses Gesetzentwurfes für unsere privat arbeitenden Suzukilehrer und Teacher Trainer werden durch diese Ausführungen bestärkt. Der Begriff „Unternehmer“ meint in unserem Bereich einen selbständigen Privatmusiklehrer.
Der Vorstand der DSG hat sich der Petition des Deutschen Tonkünstlerverbandes angeschlossen und möchte den Mitgliedern der DSG das Gleiche empfehlen. Dies ist bis zum 20. September 2012 noch möglich. Jede Stimme zählt!
Aus der Fachzeitschrift Deutsches Steuerrecht (DStR 36/2012), Seite 1789:
2.2.3.1 Bescheinigungsverfahren
Das bisherige Bescheinigungsverfahren soll in der Neufassung gestrichen werden. Mit dieser Abschaffung des „externen“ Bescheinigungsverfahrens wäre die Finanzverwaltung für die Prüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen der Steuerbefreiung alleine zuständig. Bisher mussten die Finanzämter die ausgestellten Bescheinigungen als Grundlagenbescheid i. S. des § 175 AO – ggf. gegen die eigene rechtliche Würdigung – gelten lassen.
Der Wegfall soll – so die Entwurfsbegründung – zum Abbau von Bürokratieaufwand und zu mehr Rechtssicherheit führen. Da einer ausgestellten Bescheinigung bisher jedoch zumindest Indizwirkung dafür zukam, dass die bescheinigten Leistungen nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung hatten, trägt der Unternehmer nach der geplanten Regelung nun alleine das vollständige Risiko des Nachweises einer Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung. Die weitgefasste Formulierung in § 4 Nr. 21 Satz 2 UStG-E, dass eine vergleichbare Zielsetzung gegeben sein soll, wenn die Leistungen geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, dürfte den Unternehmern bei der Abgrenzung nicht wirklich weiterhelfen. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung hierzu ergänzende Anweisungen herausgegeben wird, damit in der Praxis die angekündigte Rechtssicherheit auch wirklich wahrgenommen werden kann.
2.2.3.2 Selbständige Dozenten
Selbständige Dozenten können nach der geplanten Gesetzesregelung zum einen als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung und zum anderen in der Eigenschaft als Privatlehrer auftreten. Privatlehrer sollen ausweislich der Entwurfsbegründung nicht die selbständigen Lehrkräfte sein, die im Rahmen der von einer anderen Einrichtung angebotenen Lehrveranstaltungen Leistungen erbringen, da sich das Merkmal „privat“ nicht auf die Person des Lehrers, sondern die Erteilungsform des Unterrichts beziehe (Leistender Unternehmer in Beziehung zu den Teilnehmern ist die Einrichtung, nicht der Dozent). Bei an anderen Einrichtung tätigen, selbständigen Dozenten soll vielmehr das Vorliegen der Voraussetzungen einer anderen Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung zu prüfen sein und nicht die Eigenschaft als Privatlehrer.
Bisher hatte der an einer begünstigten Einrichtung selbständig tätige Lehrer die Begünstigung seiner Unterrichtsleistungen i. S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG durch Vorlage einer Bescheinigung der Bildungseinrichtung nachzuweisen (Abschn. 4.21.3. Abs. 3 bis 5 UStAE). Nach der Entwurfsbegründung sollen selbständige Dozenten nach Wegfall der Bescheinigung den Nachweis in geeigneter Weise erbringen. Der Unternehmer ist demnach grundsätzlich frei in der Nachweisform. Exemplarisch führt die Entwurfsbegründung eine Dokumentation durch eine Bestätigung der Bildungseinrichtung auf. Aus dieser müsse dann hervorgehen, dass die Einrichtung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG selbst erfülle und der vom Dozenten erteilte Unterricht im begünstigten Bereich der Einrichtung erfolge. Da die Bildungseinrichtungen aber selbst auch keine „offiziellen“ Bescheinigungen mehr von den zuständigen Landesbehörden erteilt bekommen, sollten diese nicht ohne Weiteres einem Dritten gegenüber das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bescheinigen, da sich die Einrichtungen sonst, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass § 4 Nr. 21 UStG-E doch nicht erfüllt ist, ggf. mit Regressansprüchen von Seiten der selbständigen Lehrer auseinanderzusetzen hätten. Etwas anderes gilt, sofern der Bildungseinrichtung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG-E im Rahmen einer verbindlichen Auskunft (§ 89 AO) vom Finanzamt bestätigt worden ist. Dann sollte die Einrichtung in der Bestätigung für den selbständigen Dozenten auf die verbindliche Auskunft hinweisen.
Zu den vergleichbaren Einrichtungen sollen zudem auch solche Leistungen zählen, die der als freier Mitarbeiter an einer begünstigten Einrichtung selbständig tätige Lehrer nicht höchstpersönlich erbringt, sondern wiederum an einen selbständigen Dozenten unterbeauftragt (Subunternehmerleistungen). Die Bundesregierung greift damit offensichtlich die BFH-Entscheidung (BFH 11.23.8.2007, V R 10/05, a. a. O.) zu Subunternehmerleistungen auf und setzt sich über diese hinweg, in dem er verfügt, dass mit der Neuregelung eine Begünstigung der Leistungen der Bildungseinrichtung einerseits sowie des Haupt- und des Subunternehmers andererseits einherginge.
2.2.4 Privatlehrer
§ 4 Nr. 21 Satz 1 UStG-E soll auch die Bildungsleistungen von Privatlehrern begünstigen. Die Bundesregierung setzt damit Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL in nationales Recht um.
Inwiefern diese Regelung in der Praxis Anwendung findet, ist jedoch unklar. Den Ausführungen zum Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass Privatlehrer diejenigen Lehrer sein sollen, die für eigene Rechnung, in eigener Verantwortung und in eigener Person Unterricht erbringen. Sofern diese Merkmale erfüllt sind, dürfte bereits eine andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung i. S. des § 4 Nr. 21 Satz 1 und 2 UStG-E vorliegen. Die Eigenschaft als Privatlehrer dürfte deshalb regelmäßig ins Leere laufen. Die Aufnahme der Privatlehrer in den Gesetzestext dürfte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber möglichst lückenlos das Unionsrecht übernehmen möchte, um einer etwaigen Kritik in Bezug auf eine Unionsrechtswidrigkeit der Neuregelung von Anfang an entgegenzutreten.
2.3 Auswirkungen der Neuregelung
Für die ab dem 1.1.2013 erbrachten Fortbildungsleistungen, insbesondere im Rahmen von Tages- oder Kurzseminaren, bedeutet die künftige Umsatzsteuerbefreiung einen Systemwechsel. Mit der neuen Steuerbefreiung auf der Ausgangsseite verliert der Unternehmer auf der Eingangsseite gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG auch das Recht zum Vorsteuerabzug. Preise für Seminarveranstaltungen müssen deshalb von Grunde auf neu kalkuliert werden.
Die von der Bundesregierung angepriesene Kostenreduzierung im Bereich der Bildungsleistungen darf zumindest im Bereich der Fortbildung angezweifelt werden. Teilnehmer von diesen Veranstaltungen sind größtenteils Unternehmer bzw. deren Arbeitnehmer. Die vom Seminarveranstalter berechnete Umsatzsteuer ist in diesen Fällen bisher auf Seiten des Leistungsempfängers regelmäßig „kostenneutral“ als Vorsteuer abzugsfähig. Ausnahmen bilden lediglich die Kunden, die selbst vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze tätigen (Banken, Versicherungen etc.). Die weiterberechnete und regelmäßig beim Kunden „kostenneutrale“ Ausgangsumsatzsteuer ermöglichte der Bildungseinrichtung jedoch bisher aus Eingangsleistungen den (vollen) Vorsteuerabzug. Mit der geplanten Neuregelung entfällt diese Möglichkeit, so dass aus Investitionskosten keine Vorsteuer mehr gezogen werden kann (z. B. aus Gebäudeunterhaltungskosten, Reisekosten, Materialkosten, Werbekosten, Anmietung oder Ankauf von Betriebsanlagen wie Beamer und Beschallungsvorrichtungen etc.). Diese nicht mehr abzugsfähige Umsatzsteuer aus Eingangsleistungen ist zukünftig bei der Preiskalkulation mit einzubeziehen. Lediglich aus Aufwendungen, die unmittelbar für steuerpflichtige Ausgangsumsätze bezogen werden, kann weiterhin die Vorsteuer geltend gemacht werden (z. B. Verpflegungsleistungen).
Bei bereits getätigten, längerfristigen Investitionen (z. B. Immobilien oder bewegliches Anlagevermögen) ist zu beachten, dass aufgrund der ab dem 1.1.2013 eintretenden Nutzungsänderung (steuerfrei anstatt steuerpflichtig) eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 15a UStG eintreten kann. Insofern ist zu prüfen, ob für Wirtschaftsgüter, die mit (anteiligem) Vorsteuerabzug angeschafft/hergestellt wurden, der Berichtigungszeitraum i. S. des § 15a Abs. 1 UStG noch läuft und Steuern an das Finanzamt zurück zu zahlen sind. Auch diese – ggf. über Jahre erfolgende – Kostenbelastung sollte ab dem 1.1.2013 bei der Preisfindung berücksichtigt werden.
Zu der gleichen „§ 15a UStG – Problematik“ kann es auch bei Vermietungsunternehmern kommen, die ihre Immobilien bisher unter Ausübung der Option gemäß § 9 UStG steuerpflichtig an Fortbildungsinstitute vermieten und bei Anschaffung/Herstellung der Immobilie einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hatten. Die Option ist nach § 9 Abs. 2 UStG ist nur möglich, wenn der Mieter in den angemieteten Räumen ausschließlich vorsteuerunschädlich Ausgangsumsätze erwirtschaftet (vgl. für schädliche Umsätze im geringem Umfang Abschn. 9.2. Abs. 3 UStAE). Sofern die Bildungseinrichtungen als Mieter nach der geplanten Neuregelung ab dem 1.1.2013 nicht nur im geringen Umfang steuerfreie, vorsteuerschädliche Ausgangsumsätze erzielen, können die Vermieter die Option nicht (mehr) ausüben (Ausnahmen sind Altobjekte i. S. des § 27 Abs. 2 UStG). In diesen Fällen verlieren auch die Vermieter ihr Vorsteuerabzugsrecht aus laufenden Kosten bzw. müssen vor Steuern gemäß § 15a UStG aus Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zurückzahlen, so dass die Mieten ggf. neu zu kalkulieren sind und zu Mehrkosten bei den Bildungseinrichtungen führen werden.
3. Fazit
Insbesondere bei Unternehmern, die berufliche Fortbildung (im Rahmen von Tagesseminaren) betreiben, werden sich aufgrund der geplanten Gesetzesänderung zum 1.1.2013 erhebliche Änderungen ergeben. Durch den mit der Steuerbefreiung auf der Ausgangsseite einhergehenden Verlust des Vorsteuerabzugs auf der Eingangsseite kommt es zu einer geänderten Kostenstruktur. Ob mit der Ausdehnung des Befreiungstatbestandes tatsächlich ein günstigerer Zugang zu Bildungsleistungen einhergeht, bleibt abzuwarten.
Sicherlich ist der Wegfall des externen Bescheinigungsverfahrens ein Schritt in Richtung Bürokratieabbau, doch bieten die neuen Begrifflichkeiten „vergleichbare Zielsetzung“ und „Freizeitgestaltung“ weiterhin genug Zündstoff. Wer in seinem Einzelfall Rechtssicherheit haben möchte, dem kann man – auch nach der Gesetzesänderung – nur raten, bei seinem FA eine verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) einzuholen.