Internationale Anerkennung

Shinichi Suzuki arbeitete unermüdlich an der Weiterentwicklung seiner Methode. Die überzeugenden Leistungen seiner Schüler, der Aufbau des Lehrerausbildungsinstitutes in Matsumoto/Japan und zahlreiche Vortragsreisen in die USA und nach Europa sowie Kontakte zu einflussreichen Musikerpersönlichkeiten haben zu einer weltweiten Verbreitung seiner Instrumentalpädagogik geführt.

Zahlreiche ausländische Künstler kamen aber auch nach Japan und besuchten Suzuki mit seinen Schülern. Unter ihnen waren u.a. Arthur Grumiaux, David Oistrach, Marcel Moyse, William Primrose, Yehudi Menuhin, Alfred Cortot und Mstislaw Rostropovich. Alle Gäste waren beeindruckt von Suzukis Arbeit und bestärkten ihn darin, seinen Weg fortzusetzen.

Einer der ersten großen Künstler, die zu Suzuki nach Japan kamen, war Pablo Casals. Fritz Kreisler bezeichnete ihn einmal als „den König des Bogens“ (J. Ma. Corredor: Gespräche mit Casals) und George Enescu, bei dem Koji Toyoda zwei Jahre studierte, sagte über Pablo Casals: „Casals bleibt unser aller Lehrer.“ Auch Albert Einstein, mit dem Suzuki während seiner Berliner Studienjahre häufig zusammentraf, drückte seine Wertschätzung für den einzigartigen Künstler und seine Hochachtung vor seinem Wesen aus.

Er äußerte über Casals: „Was ich an ihm besonders bewundere, ist seine charaktervolle Haltung… Er hat klar erkannt, daß die Welt mehr bedroht ist durch die, welche das Übel dulden oder ihm Vorschub leisten, als durch die Übeltäter selbst… “

Pablo Casals mit seiner Ehefrau Martita

Suzuki verehrte Casals aus ganzem Herzen, sowohl als Mensch, als auch als Künstler. Er besaß alle seine Aufnahmen und bewunderte seine besondere Tongebung und seine tiefe musikalische Aussagekraft. Suzuki war natürlich überglücklich, daß er mit dem großen Künstler zusammentreffen konnte, und veranstaltete ihm zu Ehren ein großes Festkonzert.

Als dann Pablo Casals mit seiner Frau am 16. April 1961 die Bunkyo-Halle in Tokio betrat, standen 400 Kinder im Alter von 5-12 Jahren auf der Bühne, die nur darauf warteten, den großen Meister musikalisch begrüßen zu dürfen. Die Eltern der Schüler und die Lehrer des Talent Erziehungsinstitutes empfingen das Ehepaar mit begeistertem Beifall. Sobald sich Casals hingesetzt hatte, begannen die Kinder zu spielen. Der Maestro hörte sehr aufmerksam zu, und die starke Ausstrahlung der musizierenden Kinder bewegte Casals ganz offensichtlich. Ihre Unbefangenheit, die Feinheit und Genauigkeit ihres Spiels entlockten ihm immer wieder begeisterte Ausrufe.

Suzuki erinnert sich noch heute ganz genau an diesen historischen Moment. In seinem Buch „Erziehung ist Liebe“ beschreibt er die Szene folgendermaßen: „Und als die Kinder das Vivaldi-Konzert und das Doppelkonzert von Bach spielten, erreichte seine Erregung ihren Höhepunkt. Pablo Casals weinte, seine Augen füllten sich mit Tränen, und sein Mund zuckte vor Rührung. Als schließlich fünfzehn oder sechzehn Kinder, die von Yoshio Sato, einem Schüler von Casals, auf dem Cello ausgebildet worden waren, den ‚Schwan‘ von Saint-Saëns und eine Bourrée von Bach spielten, kannte des Meisters Erregung keine Grenzen.
Nach der Aufführung ging ich zu Casals, um ihm für seine Anwesenheit zu danken, aber bevor ich aussprechen konnte, legte er beide Arme um mich und weinte still an meiner Schulter. Wie oft hatte ich selbst über die wunderbare unbefangene Äußerung dieser kindlichen Lebenskraft geweint!

In diesem erhabenen Augenblick stand nun der fünfundachtzigjährige große Meister selbst sprachlos vor dem klangvollen Ausdruck dieser Lebenskraft. Herr und Frau Casals kamen auf das Podium und streichelten die Köpfe der Kinder.
In der Mitte des Podiums hatte man Stühle für sie aufgestellt. Mit den Händen voll Blumen, die ihnen die Kinder überreicht hatten, nahmen sie Platz. Umgeben von den niedlichen kleinen japanischen Kindern und mit einer Stimme, die vor Rührung zitterte, sprach der Meister ins Mikrophon:

‚Meine Damen und Herren! Ich nehme an einer der bewegendsten Szenen teil, die man erleben kann. Was wir hier vor uns sehen, hat eine viel größere Bedeutung, als es scheinen mag. Ich glaube nicht, daß wir in irgendeinem anderen Land dieser Erde einen derartigen Geist von Brüderlichkeit und Herzlichkeit in einer solchen Vollendung finden werden. In jedem Augenblick, den ich den Vorzug habe, in diesem Land zu sein, spüre ich die Beweise des Herzens und den Wunsch nach einer besseren Welt. Das hat mich in diesem Lande besonders beeindruckt: das unübertroffene Verlangen nach den höchsten Dingen des Lebens.
Wie wunderbar
ist es zu sehen, daß die Erwachsenen an die Kleinsten denken, so wie diese hier, um sie von Anfang an edle Gefühle und vornehme Taten zu lehren. Und dazu gehört die Musik. So geben sie ihnen eine musikalische Ausbildung, die ihnen die Einsicht vermittelt, daß Musik nicht nur eine klingende Kunst ist, wonach man tanzen und woran man Spaß haben kann, sondern daß sie etwas derart
Erhabenes im Leben bedeutet, daß sie vielleicht sogar die Rettung für die Welt bringen kann.
Nicht nur gratuliere ich Ihnen, den Lehrern und den Erwachsenen, sondern ich möchte Ihnen gleichzeitig meine Bewunderung, meine Hochachtung und meine herzlichsten Glückwünsche ausdrücken.
Und was ich darüberhinaus in diesem Augenblick sagen möchte: die Japaner sind ein großes Volk, nicht nur wegen ihrer industriellen, wirtschaftlichen und künstlerischen Leistungen, sondern weil Japan – so möchte ich sagen – das Herz des Herzens ist, und das braucht die Menschheit vor allem, vor allem, vor allem.‘
Es folgt eine Audio-Aufnahme der historischen Rede:

Casals Rede beim Suzuki-Konzert in Tokio am 16. April 1961

In unserer Online Mediathek können Sie das eBook

SHINICHI SUZUKI: Pionier der Musikerziehung

kostenlos herunterladen.

Es enthält weitere Informationen über diese spannende Zeit des Aufbaus und der Weiterentwicklung der Suzuki-Arbeit.

Kurzbeschreibung:
Auf 42 Seiten stellt Kerstin Wartberg wesentliche Stationen von Shinichi Suzukis Lebensweg in Wort und Bild vor:

  • Sein Elternhaus
  • Kindheit und Jugend
  • Schicksalhafte Jahre
  • Waltraud
  • Aufbau und Entwicklung seines Unterrichtswerkes
  • Amerika – Japan – Internationale Zusammenarbeit

Die in dieser Lebensbeschreibung verwendeten Informationen stammen großenteils von Shinichi Suzuki und seiner Ehefrau persönlich.
Alle hier wiedergegebenen Fotos wurden der Verfasserin im Jahre 1995 von Frau Waltraud Suzuki zum Geschenk gemacht.

KOSTENLOSER DOWNLOAD

Weitere Aufsätze, Videos und eBooks erhalten Sie in unserer

ONLINE MEDIATHEK.